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Luftbild Fischerinsel, Blick von Südwesten |
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Gertraudenstraße von Südwesten, rechts Wohnhochhäuser der Fischerinsel |
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Situation zwischen den Wohnhochhäusern |
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Archiv: Planwerk Innenstadt
Fischerinsel: Ort
Das Planungsgebiet umfasst mit dem Bereich der heutigen Gertraudenstraße den mittelalterlichen Gründungskern der Stadt Cölln mit Kirche und Rathaus. Hier war der Ort, auf den sich die Gründungsurkunde Berlins bezog. Planungsaufgabe ist hier, diesen für ganz Berlin wichtigen Gründungsort wieder erkennbar zu machen. Die Fischerinsel bedarf einer Neuordnung des Freiraumes und einer ergänzenden Bebauung, die das Ensemble der sechs Wohnhochäuser städtebaulich wieder an die Gertraudenstraße heranführt und Teile der Uferzonen einfasst. Dabei war es Ziel der Planung, ein Bebaungskonzept zu finden, das in kritischer Rekonstruktion an die historische Stadtstruktur anknüpft und mit dem Bestand verträglich ist.
Werkstattbericht
Der Vertiefungsbereich Fischerinsel war Gegenstand zweier Werkstattermine und einer öffentlichen Planungswerkstatt im Deutschen Architekturzentrum (DAZ) im Bezirk Mitte. Nach dem zweiten Termin im März 1998 erzwangen politische Veränderungen im Bezirksamt Mitte eine Unterbrechung des Verfahrens. Im Juni 1998 wurde es durch die öffentliche Veranstaltung im DAZ wieder aufgenommen. Nach diesen drei Sitzungen waren die grundsätzlichen Positionen geklärt. Als Co-Gutachter des Bezirkes nahmen Martha Döhler (Büro für urbane Projekte) aus Leipzig und Harald Bodenschatz aus Berlin teil. Undine Giseke vom Büro Becker, Giseke, Mohren, Richard arbeitete beratend mit beiden Teams bei der Erstellung der jeweiligen Freiraumkonzepte zusammen.
Von der ersten Sitzung an wurde das Werkstattverfahren durch die Tatsache überschattet, dass vorgängig das Grundstück des unter Denkmalschutz stehenden Ahornblattes durch die OFD unter der Option eines bis März '98 zu schaffenden Baurechts an einen Investor verkauft wurde. Gleichzeitig wurde durch das Stadtplanungsamt Mitte bekanntgegeben, dass bereits die Aufstellung eines Bebauungsplans eingeleitet worden sei und auch schon eine Bauvoranfrage für einen fünfgeschossigen Riegel hinter dem erhaltenen Zeltteil des Ahornblattes und zwei zusätzliche Hochhaustürme vorliege. Damit verknüpfte sich die Frage von Erhaltung und Abriss des Ahornblatts unausweichlich mit der neu hinzukommenden Diskussion darüber, ob man ein weiteres Hochhaus wolle oder nicht bzw., ob die beabsichtigte Büronutzung genehmigungsfähig sei.
Kurz nach der zweiten Sitzung wurde bekannt, dass die Baustadträtin des Bezirkes Mitte inzwischen das Konzept eines neuen, zusätzlichen Hochhauses genehmigt hatte. Die daraus folgenden Turbulenzen im Bezirksamt Mitte führten dazu, dass das Planwerksverfahren erst einmal auf Eis gelegt werden musste. Als mit dem Antritt eines neuen Baustadtrates wieder die Kooperation mit dem Bezirk Mitte möglich war, kam es zu einer dritten, öffentlichen Sitzung, in der der neue Arbeitsstand seitens der beiden Gutachterteams vorgestellt werden konnte. Für den Planwerkvorschlag ist dabei insbesondere die Doppelseitigkeit der Bebauung an der Gertraudenstraße und die Zentrierung auf einen zentralen Stadtgarten hervorzuheben. Die Weiterarbeit seitens der Gutachter bestand also darin, sich den Ausgangsbedingungen auf Basis einer voraussehbaren Lösung anzunähern. Der Planwerkvorschlag wurde also einerseits auf den heutigen Zuschnitt des Grundstücks und die darin einbegriffene heutige Straßenbegrenzung bezogen, bei möglicher späterer Erweiterung, zum andern typologisch auf die mindesterforderliche BGF von rd. 28.000 qm abgestellt. In letzterer Absicht wurde der Typus des New Yorker Apartmenthauses mit einer unvergleichlichen Lage - gegenüber dem DIHT, in Zukunft vielleicht 300 m vom wiedererrichteten Stadtschloss entfernt - vorgeschlagen.
Die Verkehrslärmauswirkungen der unterschiedlichen Konzepte wurden vom Büro GRI geprüft und vergleichbar gemacht. Den Kern der Werkstattdiskussion bildete das strittige Verhältnis zwischen einer von allen Teilnehmern gewünschten erneuten Kenntlichmachung des historischen cöllnischen Stadtkerns unter Rücknahme von Verkehrsfläche einerseits, und der Weiterentwicklung des Ensembles der frei im Raum stehenden sechs Wohnhochhäuser andererseits. Strittig waren nicht nur Gewicht und Ausdehnung der Wiederherstellung des Stadtgründungsortes, sondern auch die typologische Übereinstimmung oder Dissonanz zwischen Hochhausarchitektur und den möglichen Neubauten an der Gertraudenstraße.
Die Planwerkgutachter legten daraufhin in der zweiten Sitzung ein verändertes Konzept vor. Orientiert an einer vertieften Analyse der historischen Stadtgebietsstruktur wurde eine Dreiteilung des Gebietes vorgeschlagen: -entlang der Gertraudenstraße Wiederherstellung des alt-cöllnischen Gründungskerns - entlang des Spreekanalufers eine parzellierte Wohnbebauung zwischen Inselbrücke und südwestlicher Kita sowie auf dem nordöstlich aufzugebenden Kitastandort- dazwischen die Hochhäuser in ihrer eigenen Struktur. Um zu einer überzeugenden Formulierung des cöllnischen Stadtkerns zu gelangen, wurde der Abriss des Ahornblattes vorgeschlagen. Dies ermöglicht auch die Wiederanlegung der Petristraße und eines im Süden gefassten Petri-Kirchplatzes. Die Co-Gutachter Döhler/Bodenschatz legten dagegen, in Absprache mit dem Bezirk Mitte, ein Konzept der Zweischichtigkeit vor: Neufassung des cöllnischen Stadtkerns in Übereinstimmung mit dem Planwerk, straßenbegleitende Zeilenbebauung an der Gertraudenstraße, orientiert an den dahinterliegenden vorhandenen Wohnhochhäusern und Verzicht auf den historischen Straßenplan, stattdessen Erhaltung des Ahornblatts als freistehendes Monument. Beide Gutachter lehnten neue, zusätzliche Hochhäuser ab.
Der Investor verabschiedete sich aufgrund der massiven Proteste von der ursprünglichen Hochhausplanung. Das neue Konzept geht von einer mehrgeschossigen Blockbebauung für eine gemischte Nutzung mit Wohnungen, einem Hotel, Läden und Büroflächen mit einer öffentlichen Durchwegung in Verlängerung der Petristraße aus. Im südlich angrenzenden Teil ist ein mit einer Tiefgarage unterlegter Stadtplatz geplant. Eine Annäherung der Gutachter fand im Bereich der vorhandenen Hochhausbebauung statt. Dissens besteht nach wie vor über die Bebauung am Wasser. Während die Co-Gutachter auf eine Bebauung verzichten, geht das Planwerkskonzept in Anlehnung an das gegenüberliegende Ufer von einer Bebauung aus. Die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr befürwortet das Planwerkskonzept, das Bezirksamt das Konzept der Co-Gutachter.
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