Das Areal des früheren Berliner Bezirks Prenzlauer Berg, heute Ortsteil des Bezirks Pankow war ursprünglich ein Arbeiterbezirk, der in den Jahren der Gründerzeit rasant anwuchs. Dies führte dazu, dass man um 1870 vermehrt auf den Bau von öffentlichen Einrichtungen wie Markhallen, Krankenhäusern und Schulen Wert legte. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhundert kamen aus überwiegend hygienischen Gründen die Planung und der Bau von Volksbadeanstalten hinzu. Zwischen 1896 und 1899 plante der damalige Stadtbaurat Ludwig Hoffmann als eines seiner ersten Volksbäder das Bad an der Oderberger Straße. 1902 wurde es eröffnet. Um den Baugrund optimal auszunutzen, wurde das Bad zur Straße hin positioniert, während auf dem Hinterland die Gemeindedoppelschule Oderberger Straße errichtet wurde. Von dem einstigen Schulbau ist heute nur noch ein Teil des Seitenflügels erhalten.
Portal der Straßenfassade um 1903
Quelle: Bildarchiv Foto Marburg, www.bildindex.de
Figurale Steinbosse, Fassade, 1903
Quelle: Ludwig Hoffmann: Neubauten der Stadt Berlin, 2. Band, Berlin 1903
Hoffmann orientierte sich bei der architektonischen Raumgestaltung des Stadtbades an Sakralbauten, wie die umlaufenden Gänge und Emporen im Hallenbereich bezeugen. Die neunachsige Straßenfassade des Stadtbades findet ihre Vorbilder in der nordeuropäischen Renaissance. Sie ist durch drei Quergiebel und das steile Satteldach geprägt. Im Erdgeschoss weist die Straßenfassade große, sechsteilige Rundbogenfenster auf, die durch gedoppelte Fensterkreuze aus Sandstein geteilt werden. Zwischen den einzelnen Rundbogenfenstern befinden sich figurale, hervorstehende Steinbosse. In der mittleren Achse befindet sich das Neorenaissanceportal, das mit Säulen und Skulpturen, die thematisch auf die Badeanstalt verweisen, geschmückt ist. Sämtliche Verzierungen und Skulpturen wurden nach Vorlagen des Bildhauers Otto Lessing angefertigt. Die Seitenfassaden und die Rückfassade wurden wesentlich schlichter gestaltet.
Den Krieg überstand das Gebäude ohne große Schäden, es wurde in der
DDR-Zeit weiterhin als Stadtbad genutzt. 1977 erhielt es zusätzlich eine Sauna. 1985 erfolgte der Einbau einer neuen Heizungsanlage, welche einen Schornsteinanbau notwendig machte. Dieser Anbau führte zu Rissen im Beckenboden und dem Deckengewölbe. Daraufhin musste 1986 die Schwimmhalle aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Die Wannen- und Duschbäder sowie die Sauna wurden weiterbetrieben. 1997 musste auch dieses Angebot eingestellt werden, seitdem stand das Stadtbad leer. 2001 wurde das Stadtbad von einer Genossenschaft aus Künstlern und Anwohnern, 2007 dann von der Stiftung Denkmalschutz Berlin erworben. In beiden Fällen konnte die geplante Sanierung aufgrund fehlender Mittel nicht realisiert werden. Um die laufenden Kosten auszugleichen wurden kulturelle Events in dem ehemaligen Bad organisiert.
Straßenfassade vor Sanierung, 2013
Foto: BSM mbH
Rückseite mit Graffitischäden und Schäden an den Türen- und Fensterrahmungen, 2013
Foto: BSM mbH
Nach mehr als 25 Jahren soll nun der Badebetrieb wieder aufgenommen und das leer stehende denkmalgeschützte Gebäude mit neuen Nutzungen belebt werden. 2011 kaufte das auf dem benachbarten Grundstück in der Kastanienallee 82 ansässige GLS Sprachenzentrum das Bad mit dem Ziel, es zu sanieren und als öffentliches Bad, Hotel und Sprachschule zu nutzen. Dazu sind umfassende, denkmalgerechte Sanierungen und Umbauten notwendig, die größtenteils vom zukünftigen Nutzer selbst finanziert werden. Die behutsame Erneuerung der historischen Fassaden mit Restaurierung der von Otto Lessing entworfenen Steinskulpturen und Figuren und der denkmalgerechten Sanierung der Außentüren und der Metallfenster wird mit Mitteln des Städtebaulichen Denkmalschutzes gefördert.
Feierliche Übergabe des Fördermittelbescheids am 11.12.2013
Foto: BSM mbH
Am 11. Dezember 2013 wurde der Fördermittelbescheid durch den Staatssekretär für Bauen und Wohnen, Ephraim Gothe, im Beisein des Stadtrates für Stadtentwicklung des Bezirkes Pankow, Jens-Holger Kirchner, an Frau Barbara Jaeschke und Herrn Dr. Hans-Dieter Jaeschke vom GLS Sprachenzentrum übergeben. Das Land Berlin unterstützt damit die denkmalgerechte Erneuerung des Stadtbades und sichert so auch die öffentliche Badnutzung. Mit den geplanten Sanierungsmaßnahmen wird das äußere Erscheinungsbild des Stadtbads künftig den bauzeitlichen Zustand vermitteln und wesentlich zur Aufwertung des Stadtbildes beitragen. Mit der öffentlichen Nutzbarkeit des Stadtbades erhält das Quartier darüber hinaus einen wichtigen, Identität stiftenden Ort zurück.