Starkregen, überschwemmte Straßen, dann wieder wochenlange Trockenheit mit allmählich versteppenden Grünflächen, dazu hohe Abwassergebühren für öffentliche Einrichtungen – die Notwendigkeit der Anpassung der Stadt an das veränderte Klima sind augenfällig. Auch das starke Bevölkerungswachstum in Berlin – in den letzten Jahren um ca. 40.000 Menschen pro Jahr – erfordert die Anpassung der sozialen und stadttechnischen Infrastruktur, so Brigitte Reichmann, zuständig für ökologisches Bauen und ökologische Gebäudekonzepte in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen.
Die Expertin ist neben engagierten Mitarbeiter*innen des Stadtentwicklungsamtes Pankow verantwortlich dafür, dass das Stadtumbaugebiet Greifswalder Straße für die Forschenden vom Deutschen Institut für Urbanistik (DIfU) zum Modellprojekt für das Vorhaben netWORKS 4 wurde. Denn wo lässt sich die intelligente Planung des Wassermanagements von Gebäuden und ganzen Quartieren besser erproben, als in einem Gebiet im Umbruch mit Sanierungs-, Um- und Neubauprojekten und mit vielen Grün- und Freiräumen mit hohem Überarbeitungsbedarf.
netWORKS 4, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, untersucht die Möglichkeiten der Kopplung von Abwasser-Infrastruktur, Grünflächen und Oberflächenwasser – sogenannter grauer, grüner und blauer Infrastruktur – um den Umgang mit Wasser auf Gebäude-, Quartiers- und auf der Ebene des Kanaleinzugsgebiets zu verbessern. Projektpartner des DIfU in Berlin sind das Institut für Sozialökologische Forschung, das Kompetenzzentrum Wasser Berlin, die Berliner Wasserbetriebe und die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Wohnen sowie für Umwelt, Verkehr und Klima.
Zur Vorstellung und Diskussion der bisherigen Ergebnisse des seit 2016 laufenden Forschungsprojekts trafen sich Projektpartner und lokale Expert*innen am 21. August 2019 in der Kulturmarkthalle. Zu den beispielhaft untersuchten Fokusgebieten gehörten neben Straßen und Grünflächen im Bestand auch die geplante neue Grundschule im Neubaugebiet Michelangelostraße und die Kita Bewegungsreich, die ab 2020 mit Stadtumbaumitteln saniert und erweitert wird.
Kitaleiterin Gabi Brauer-Bergander freut sich schon auf die Umsetzung der Ideen, die im Rahmen eines Workshops mit den beteiligten Akteuren entwickelt wurden. Zuerst waren die Ziele zu klären und zu gewichten: Dazu gehörte neben dem Gewässerschutz und der Förderung der Biodiversität auch die Umweltbildung und die Stärkung der Identifikation mit dem Quartier. Dazu passend wurden buchstäblich Maßnahmen aus einem Set von Möglichkeiten ausgewählt: Die Maßnahmen sind auf kleinen Spielkarten mit ihren Vor- und Nachteilen genau beschrieben. Die Workshop-Teilnehmer*innen einigten sich auf die Teilversiegelung aller vollversiegelten Flächen, extensive (nicht begehbare) Gründächer auf dem Neubau und den sichtbaren Vordächern des Bestandsgebäudes sowie die Sammlung vom Regenwasser des Altbaus in einer Zisterne und die Nutzung des gesammelten Wassers für die Toilettenspülung und zum Bewässern des großen Gartens. Auch für die Kinder soll das gesammelte Wasser per Gießkanne nutzbar und erlebbar sein. Was passiert mit dem Regenwasser? Sie wissen es später vielleicht besser als ihre Eltern.
Die Vorüberlegungen zur Sanierung und Erweiterung der Kita sind ein gutes Beispiel für eine gelungene partizipative Planung in einem neuen Themenfeld: Aus den unterschiedlichen Perspektiven der öffentlichen und privaten Akteure entstand eine gemeinsame Vision für die Regenwasserbewirtschaftung. Das Bauprojekt soll bis 2022 realisiert werden.
Aus dem Forschungsprojekt lassen sich viele Schlussfolgerungen für kommende Vorhaben ziehen. So sollen z. B. die für den Neubau der Grundschule gemeinsam erarbeiteten Vorstellungen in die Aufgabenstellung für eine Machbarkeitsstudie einfließen. In der Podiumsdiskussion wurde betont, wie wichtig die Definition genauer Ziele bei der Bewertung der Kosten sei. Das Bezirksamt wünschte sich gute Beispiele und Vertragsmuster für die vielen zu regelnden Detailfragen, z.B. zur Unterhaltung und zu Versicherungsfragen, an denen eine Umsetzung grundstücks- und eigentümerübergreifender Lösungen oft scheitert. Entscheidend sei zudem die frühzeitige Einbeziehung des Themas in der Planung und der offene Blick über den Grundstücksrand hinaus, um auf Quartiersebene noch bessere Lösungen zu erarbeiten. Dazu wird das Bezirksamt im September ein Regenwasserbewirtschaftungskonzept für den Mühlenkiez beauftragen. In den nächsten Wochen wird das DIfU den Bericht zum Projekt veröffentlichen.
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt KURAS PLUS
Berichte, Dokumentationen und Arbeitshilfen aus der Senatsverwaltung f. Stadtentwicklung u. Wohnen
https://www.stadtentwicklung.berlin.de/bauen/oekologisches_bauen/de/download/index.shtml
Die Ausstellungstafel mit den gezeigten Abbildungen finden Sie hier
https://www.stadtentwicklung.berlin.de/bauen/oekologisches_bauen/de/modellvorhaben/kuras/index.shtml