Wer sich für das durchaus aktuelle Thema industrieller Wohnungsbau interessiert, war bei diesem dreistündigen Rundgang genau richtig – er führte kreuz und quer durch das weitläufige Wohngebiet gegenüber dem Tierpark Friedrichsfelde und war vollgepackt mit Informationen. Die kamen vor allem von Ludwig Krause, einem zu DDR-Zeiten tätigen Städteplaner und Werner Schmitz, dem Initiator der Route, bis 2015 Mitarbeiter im Stadtplanungsamt Lichtenberg.
Treffpunkt war der Heinrich-Dathe-Platz mit der ersten der zahlreichen Tafeln, die in Wort & Bild Auskunft über das gesamte Wohngebiet geben – oft bis ins Detail. In den 1970er-Jahren hieß dieses Gebiet mit dem Zentrum Volkradstraße Hans-Loch-Viertel. Damals erstellte man zunächst wissenschaftliche Prognosen zum Platzbedarf der Bewohner: Man rechnete mit 0,8 Zimmern pro Person, sodass 2,4 Zimmer für eine dreiköpfige Familie reichten. In der Baumasse von einst sind heute nur noch halb so viele Menschen untergebracht.
Bereits beim nächsten Halt vor einem riesigen Wohnblock lernten die rund 20 TeilnehmerInnen des Rundgangs, die Bauweise zu differenzieren. Denn wer kennt schon den Unterschied zwischen Stahlskelett, Abkürzung SK, und Platte? In diesem Hochhaus mit seinen elf Geschossen hielten die beiden Aufzüge nur in jeder dritten Etage - Stahl war teuer und man musste sparsam bauen.
Eine Infotafel in der Sewanstraße trägt das Kürzel SPL für Splanemann-Siedlung. "Hier stehen die ältesten Plattenbauten der Welt," so Ludwig Krause. "Eine Platte bestand aus zwei Fenstern nebeneinander. Sie war so hoch wie ein Geschoss, wurde vor Ort in Schalen gegossen und war sehr robust." Die schönen taubenblauen und leuchtend roten Bauten wollen so gar nicht zum Begriff "Platte"passen, an der Rückseite liegen kleine Gärten.
P2 heißt ein weiterer Gebäudetyp, bei dem die Innenwände parallel zu den Außenwänden stehen. Üblicherweise tragen die Querwände die Last. Die andere Bauform macht es möglich, beim Grundriss der Wohnung zu variieren. Bad und Küche liegen fensterlos im Innenbereich, die Küche hat eine Durchreiche.
Ein nächster Typ, WHH GT 18, Wohnhochhaus mit 18 Geschossen - wurde vom Wohnungsbau-Kombinat Berlin erfunden. Das Besondere daran war, dass zwei Würfel ein gemeinsames Treppenhaus hatten. Ähnliche Wohnhochhäuser stehen am S-Bahnhof Jannowitzbrücke.
Nach der Wende wurde diskutiert, ob die Platten abgerissen werden sollten. Zum Glück passierte das hier nicht. Bald gab es dann ein spezielles Programm des Senats zur qualifizierten Gestaltung der privaten Flächen, auch "Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen" - kurz WUM.
Heute strahlen die Bauten in frischen Farben, alle haben Balkons, freundliche Eingänge und viel Grün in den Innenbereichen. Beeindruckend, wie der Städtebau unser Leben prägt! Wer noch tiefer eindringen will in die Welt der Platte, nehme die U 5 und entdecke weitere Tafeln. Man kann auch an der Rummelsburger Straße beginnen, wo die Tour am Tag der Städtebauförderung endete.
Mehr zum Tag der Städtebauförderung finden Sie unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/foerderprogramme/tag/index.shtml
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